Knackig gelb und süß – Mais aus der Dose oder dem Glas gehört zu den Klassikern im Supermarktregal. Doch wer die Verpackungen genauer betrachtet, stößt auf eine Flut von Werbeversprechen, die mehr verschleiern als aufklären. Begriffe wie natürlich süß, ohne Zuckerzusatz oder gesund und ausgewogen zieren die Etiketten und suggerieren ein makelloses Lebensmittel. Die Realität sieht jedoch anders aus: Viele dieser Aussagen bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone und nutzen gezielt die Unwissenheit der Verbraucher aus.
Die Süße-Falle: Wenn Natur zum Marketingtrick wird
Der Zusatz natürlich süß auf Maisprodukten klingt zunächst vertrauenswürdig. Tatsächlich enthält Zuckermais von Natur aus Zucker – genauer gesagt etwa 3 bis 6 Gramm pro 100 Gramm. Das Problem liegt jedoch nicht in dieser natürlichen Süße, sondern in der irreführenden Kommunikation. Hersteller nutzen diese Formulierung, um ein Gesundheitsimage aufzubauen, das so pauschal nicht haltbar ist.
Besonders perfide: Manche Produkte werben mit ohne Zuckerzusatz, während sie gleichzeitig in Aufgusslösungen schwimmen, die den Zuckergehalt durch andere Zusätze erhöhen. Maltodextrin, Dextrose oder Glukosesirup tauchen dann in der Zutatenliste auf – alles Kohlenhydrate, die im Körper ähnlich wie Zucker wirken, aber nicht als solcher deklariert werden müssen.
Rechtliche Spielräume bei der Werbung
Die Health-Claims-Verordnung der EU hat klare Regeln aufgestellt: Alle Aussagen müssen den Tatsachen entsprechen und sich auf fundierte wissenschaftliche Daten stützen. Gesundheitsbezogene Claims für einzelne Inhaltsstoffe, Vitamine und Mineralstoffe dürfen nur verwendet werden, wenn diese von der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit geprüft wurden. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sind zudem nur zulässig, wenn eine Nährwertkennzeichnung vorhanden ist.
Dennoch existiert ein Problem: Der Begriff gesund ist rechtlich nicht eindeutig definiert, was Herstellern ermöglicht, ihn relativ frei zu verwenden. Wenn auf einer Dose steht trägt zu einer ausgewogenen Ernährung bei, ist das eine derart allgemeine Aussage, dass sie praktisch auf jedes Lebensmittel zutrifft – selbst auf solche mit hohem Salzgehalt oder zweifelhaften Zusatzstoffen. Die Health-Claims-Verordnung untersagt zwar Aussagen, die den Eindruck erwecken, dass eine ausgewogene Ernährung ohne das Produkt nicht ausreicht, doch bei generischen Formulierungen bleibt rechtlicher Spielraum.
Der Salzgehalt wird gerne verschwiegen
Während die natürliche Süße prominent beworben wird, bleibt ein anderer Aspekt oft im Verborgenen: der Salzgehalt. Konservierter Mais enthält häufig überraschend viel Natrium – teilweise bis zu 300 mg Salzgehalt pro 100 Gramm Abtropfgewicht. Das entspricht bereits 15 Prozent der von der WHO empfohlenen Tagesmenge.
Auf der Vorderseite der Verpackung findet sich dazu meist kein Hinweis. Stattdessen dominieren positive Botschaften das Design. Erst ein Blick auf die Nährwerttabelle auf der Rückseite offenbart die tatsächlichen Werte. Diese Praxis ist rechtlich zulässig, denn die EU-Verordnung zur Information der Verbraucher schreibt vor, dass Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung nicht in die Irre führen dürfen – es gibt jedoch kein Gesetz, das vorschreibt, dass negative Informationen prominent auf der Vorderseite stehen müssen. Die Nährwerttabelle ist Pflichtangabe, darf aber auf der Rückseite platziert werden.
Verwirrspiel mit Portionsgrößen
Ein weiterer Trick besteht in der geschickten Wahl der Portionsgrößen auf der Nährwerttabelle. Während die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben pro 100 Gramm erfolgen müssen, geben viele Hersteller zusätzlich Werte pro Portion an. Diese Portionen fallen dann erstaunlich klein aus – etwa 50 oder 60 Gramm –, wodurch die absoluten Zahlen für Kalorien, Zucker und Salz deutlich niedriger erscheinen.
Wer eine ganze Dose öffnet und die Hälfte davon zum Salat gibt, nimmt real jedoch ein Vielfaches der angegebenen Portion zu sich. Die Wahl unrealistischer Portionsgrößen wird durch die Rechtsprechung zunehmend kritisch bewertet. Das Landgericht Hamburg entschied 2024, dass Verbraucher durch veränderte Inhaltsmengen ohne explizite Hinweise nicht getäuscht werden dürfen. Dies deutet darauf hin, dass Behörden und Gerichte gegen subtile Täuschungspraktiken vorgehen.

Das Vitamin-Argument als Ablenkungsmanöver
Gerne wird auch mit dem Vitamingehalt geworben. Reich an Vitamin C oder Quelle für Folsäure sind beliebte Aufschriften. Was jedoch verschwiegen wird: Durch die industrielle Verarbeitung und Konservierung gehen erhebliche Mengen der ursprünglich vorhandenen Vitamine verloren. Frischer oder tiefgefrorener Mais enthält deutlich mehr Nährstoffe als die Konservenversion.
Manche Hersteller reichern ihre Produkte nachträglich mit synthetischen Vitaminen an, um entsprechende Werbeaussagen treffen zu können. Das mag zwar formal korrekt sein, hat aber wenig mit der beworbenen Natürlichkeit zu tun.
Bilder sagen mehr als tausend Worte
Die visuelle Gestaltung von Verpackungen trägt maßgeblich zur Verbraucherwahrnehmung bei. Saftig grüne Maiskolben auf sonnengelben Feldern, Tropfen von frischem Tau – solche Bilder vermitteln Frische und Naturnähe. Die Realität der Produktion in Industrieanlagen bleibt unsichtbar.
Die EU-Basisverordnung zur Lebensmittelsicherheit besagt eindeutig, dass die Verpackung von Lebensmitteln Konsumenten nicht irreführen darf – weder durch ihre Aufmachung noch durch Werbung oder Informationen. Selbst die Farbe des Maises auf der Verpackung entspricht oft nicht dem tatsächlichen Inhalt. Während auf dem Etikett leuchtend goldene Körner prangen, zeigt sich beim Öffnen manchmal eine deutlich blassere Variante. Hersteller können für solche Verstöße abgemahnt werden, und Verbraucherschutzverbände dürfen eingreifen.
Was Verbraucher wirklich wissen sollten
Die Wahrheit über konservierten Mais ist differenzierter als es die Werbung glauben machen will. Das Produkt ist weder grundsätzlich schlecht noch besonders gesund – es ist ein verarbeitetes Lebensmittel mit spezifischen Vor- und Nachteilen.
Mais liefert Ballaststoffe und ist energiereich durch seinen natürlichen Stärkegehalt. Für Menschen mit bestimmten Ernährungszielen kann er durchaus sinnvoll sein. Problematisch wird es erst durch die irreführende Kommunikation, die ein falsches Bild erzeugt und gesundheitsbewusste Verbraucher gezielt anspricht, ohne die vollständigen Informationen zu liefern.
Praktische Tipps für den kritischen Einkauf
Um nicht auf täuschende Werbeaussagen hereinzufallen, empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen beim Einkauf. Ignorieren Sie Werbeaussagen auf der Vorderseite weitgehend und konzentrieren Sie sich auf die Pflichtangaben. Vergleichen Sie immer die Werte pro 100 Gramm, nicht die oft geschönten Portionsangaben. Achten Sie besonders auf den Salzgehalt – dieser variiert zwischen verschiedenen Produkten erheblich.
Prüfen Sie die Zutatenliste auf versteckte Zuckerarten wie Maltodextrin oder Glukosesirup. Bevorzugen Sie bei verfügbarer Alternative Tiefkühlprodukte oder frischen Mais, da diese mehr Nährstoffe enthalten. Wenn Konserven, dann solche ohne zusätzliche Aufgussflüssigkeit oder mit der Möglichkeit zum gründlichen Abspülen.
Die Verantwortung liegt nicht nur beim Verbraucher
So wichtig kritisches Konsumverhalten ist – die Hauptverantwortung für ehrliche Produktkommunikation liegt bei den Herstellern und den Kontrollbehörden. Verbraucherschutzorganisationen fordern seit Jahren strengere Regelungen und klarere Definitionen für Werbebegriffe. Die bestehenden Vorschriften bieten zwar einen Rahmen, doch bei der Durchsetzung und präzisen Definition bestimmter Begriffe besteht Nachholbedarf.
Die gute Nachricht: Verbraucher werden zunehmend kritischer und informierter. Soziale Medien und Vergleichsportale ermöglichen einen schnellen Austausch über irreführende Praktiken. Hersteller, die auf langfristige Kundenbeziehungen setzen, beginnen zu erkennen, dass Transparenz und Ehrlichkeit mehr Wert haben als kurzfristige Verkaufserfolge durch geschöntes Marketing. Wer beim nächsten Einkauf vor dem Maisregal steht, sollte sich nicht von bunten Versprechen blenden lassen. Ein kritischer Blick auf die tatsächlichen Fakten schützt vor Enttäuschungen und hilft dabei, Produkte zu wählen, die wirklich zu den eigenen Ernährungszielen passen.
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