Die Morgensonne wärmt den Panzer Ihrer Schildkröte, während sie langsam durch den Garten streift – doch was sie dort findet, entscheidet über ihre Gesundheit, Vitalität und Lebenserwartung. Europäische Landschildkröten wie die Griechische oder die Maurische Landschildkröte haben sich über Jahrtausende an nährstoffarme, rohfaserreiche Vegetation angepasst. Viele Halter unterschätzen jedoch, wie komplex die Ernährung dieser faszinierenden Reptilien tatsächlich ist. Ein Kopfsalat hier, eine Tomate dort – diese gut gemeinten Fütterungsversuche können langfristig zu Panzerdeformationen, Organschäden und einem verkürzten Leben führen.
Warum Wildkräuter das Fundament bilden
In ihren natürlichen Lebensräumen rund um das Mittelmeer fressen Landschildkröten überwiegend Wildkräuter, Gräser und Blätter mit einem außergewöhnlich hohen Kalzium-Phosphor-Verhältnis. Dieses sollte idealerweise bei 2:1 liegen, um einen gesunden Panzer- und Knochenaufbau zu gewährleisten.
Das Problem: Kulturpflanzen wie Salat, Gurken oder Obst entsprechen nicht den natürlichen Nahrungsgewohnheiten und stören dauerhaft das empfindliche Verdauungssystem. Sie enthalten zudem viel zu viel Wasser und Zucker. Die Folge sind Durchfallerkrankungen, eine gestörte Verdauung und vor allem Kalziummangel, der sich in weichen Panzern und Knochenproblemen manifestiert. Salat ist zwar nicht giftig und schadet einer Schildkröte nicht unmittelbar, sollte aber keinesfalls als Hauptfutter dienen.
Die wertvollsten Futterpflanzen für Ihren Garten
Löwenzahn gilt als absoluter Spitzenreiter unter den Schildkrötenpflanzen. Blätter, Blüten und sogar die Wurzeln können verfüttert werden. Die Pflanze unterstützt die Verdauung durch wertvolle Bitterstoffe und ist reich an Kalzium sowie wichtigen Mineralstoffen, die für die Gesundheit der Tiere unerlässlich sind.
Breitwegerich und Spitzwegerich wachsen in fast jedem Garten und bieten neben Kalzium auch wertvolle Schleimstoffe, die die Verdauung unterstützen. Spitzwegerich wirkt zudem entzündungshemmend und antibakteriell. Die leicht ledrigen Blätter sind ideal für die Abnutzung des Hornschnabels.
Wilde Malve begeistert Schildkröten durch ihre großen Blätter und essbaren Blüten. Die Pflanze ist mehrjährig, äußerst robust und liefert vom Frühjahr bis in den Herbst frisches Grün, das gerne angenommen wird.
Klee-Arten wie Rotklee und Weißklee sollten in Maßen verfüttert werden. Sie sind proteinreich und können bei übermäßiger Fütterung zu einer Fettleber führen, weshalb sie nur gelegentlich als Beigabe angeboten werden sollten.
Gänseblümchen werden von vielen Schildkröten geliebt und sind kalziumreich. Die kleinen weißen Blüten sind ein optisches Highlight im Futterangebot und werden meist mit Begeisterung verspeist.
Hibiskus bietet nicht nur spektakuläre Blüten als Leckerbissen, sondern auch große, nährstoffreiche Blätter. Viele Züchter schwören auf Hibiskus als Hauptfutterpflanze im Sommer, da die Tiere ihn ausgezeichnet vertragen.
Wilde Rauke wächst mehrjährig und selbstaussäend. Die leicht scharfen Blätter werden gerne gefressen und enthalten neben Kalzium auch wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe, die das Immunsystem stärken.
Brennnessel bietet Eisen und Kalzium und stärkt Knochen und Panzer. Die Blätter sollten vor dem Verfüttern kurz überbrüht oder getrocknet werden, damit die Brennhaare ihre Wirkung verlieren.
Gräser wie Katzenschwänzchen und andere Wiesengräser sollten etwa 20 bis 30 Prozent der Gesamtfutterration ausmachen. Sie liefern die notwendige Rohfaser für eine gesunde Darmflora und entsprechen dem natürlichen Fressverhalten.
Der Kalzium-Irrtum: Mehr ist nicht immer besser
Während Kalziummangel dramatische Folgen haben kann, gibt es auch ein Zuviel des Guten. Manche Halter pulverisieren jeden Happen mit Sepiaschale oder Kalziumpulver – eine Praxis, die zu Nierensteinen und Organverkalkungen führen kann. Die richtige Strategie liegt in der Pflanzenauswahl: Wenn die Futterbasis stimmt, benötigen gesunde Schildkröten in einem gut strukturierten Gehege mit UV-Bestrahlung kaum Zusätze.

Eine Ausnahme bilden trächtige Weibchen und Jungtiere im Wachstum. Hier kann eine gelegentliche Zugabe von Sepiaschale sinnvoll sein, allerdings immer frei zugänglich im Gehege platziert, damit die Tiere selbst regulieren können.
Jahreszeiten beeinflussen den Speiseplan
Im Frühjahr, wenn die Vegetation erwacht, fressen Schildkröten nach der Winterruhe oft noch wenig – das ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Löwenzahn, junge Brennnesseln und Gänseblümchen dominieren jetzt das Nahrungsangebot.
Der Sommer verlangt nach einer Umstellung auf rohfaserreichere, ältere Pflanzenteile. Jetzt kommen Gräser, Hibiskusblätter und Wegwarte zum Zug. Die Tiere sollten den ganzen Tag über Zugang zu verschiedenen Pflanzen haben, um selektiv fressen zu können.
Im Herbst bereitet sich die Schildkröte auf die Winterruhe vor. Die Futtermenge wird natürlicherweise reduziert, da auch die Pflanzenvielfalt abnimmt. Jetzt sind getrocknete Kräuter und späte Löwenzahnblätter wertvoll.
Gefährliche Pflanzen erkennen
Nicht alles, was im Garten wächst, ist für Schildkröten geeignet. Obst und Gemüse sollten generell gemieden werden, da sie nicht den natürlichen Nahrungsgewohnheiten entsprechen. Bestimmte Zierpflanzen wie Efeu, Eiben und Buchsbaum sind absolut tabu und können toxisch wirken.
Besondere Vorsicht gilt auch bei einseitiger Fütterung mit Kohlgewächsen. Gelegentlich kleine Mengen Rucola oder Kresse sind unbedenklich, große Mengen über längere Zeit jedoch nicht empfehlenswert.
Die Kunst der Gehegepflanzung
Der ideale Schildkrötengarten ist kein englischer Rasen, sondern eine wilde Kräuterwiese. Lassen Sie bewusst Wildkräuter wachsen und pflanzen Sie gezielt Futterpflanzen in verschiedenen Bereichen an. Eine Strukturierung mit Steinen, Hügeln und unterschiedlichen Feuchtigkeitszonen schafft Mikrohabitate, in denen verschiedene Pflanzen gedeihen.
Experten empfehlen eine großzügige Gehegegröße, damit sich die Vegetation regenerieren kann, während die Tiere in anderen Bereichen fressen. Eine Rotation ist entscheidend für einen nachhaltigen Futtergarten, der über Monate hinweg Nahrung bietet.
Wenn der Garten nicht ausreicht
In den Übergangszeiten oder bei kleinen Gehegen reicht das natürliche Futterangebot oft nicht aus. Dann sollten Sie auf getrocknete Kräuter zurückgreifen – allerdings nur auf solche, die speziell für Schildkröten konzipiert sind und keine Zusätze enthalten. Verschiedene Hersteller bieten mittlerweile hochwertige Heumischungen mit mediterranen Kräutern an.
Eine weitere Möglichkeit ist der Anbau von Futterpflanzen in Kübeln oder Hochbeeten außerhalb des Geheges, die dann portionsweise verfüttert werden. So haben Sie auch im Winter Zugang zu frischen Blättern, wenn Sie die Pflanzen ins Gewächshaus oder an einen geschützten Platz stellen.
Beobachten statt standardisieren
Jede Schildkröte hat individuelle Vorlieben. Während manche Löwenzahn verschlingen, bevorzugen andere Malvenblätter. Diese Vielfalt ist gewollt und zeigt, dass die Tiere instinktiv wissen, was sie benötigen. Ihre Aufgabe ist es, ein möglichst breites Angebot bereitzustellen und die Tiere genau zu beobachten.
Ein glänzender, gleichmäßig wachsender Panzer, klare Augen und ein aktives Verhalten zeigen, dass die Ernährung stimmt. Deformationen, Lethargie oder auffällige Kotveränderungen sind hingegen Warnsignale, die eine Überprüfung der Fütterung und im Zweifel einen Tierarztbesuch erfordern. Die artgerechte Ernährung von Landschildkröten verlangt Wissen, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, den eigenen Garten zu einer Oase für diese bemerkenswerten Tiere zu gestalten. Die Belohnung sind gesunde, vitale Schildkröten, die über Jahrzehnte zu treuen Begleitern werden.
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